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ARCHIV 2006 - Februar 2014
Frankfurter Gespräch
Was ist heute "neoliberal"?

Thema

Ein neues Gespenst geht um auf unserem Globus: der Neoliberalismus! Handelt es sich um Massenentlassungen, Stellenabbau, Werksschließungen oder um andere ökonomische Schandtaten, wer ist schuld - der Neoliberalismus! Werden öffentliche Einrichtungen verkauft oder privatisiert, Partnerschaften der öffentlichen Hände mit privaten Unternehmen eingegangen, unter anderem um Steuergelder effizienter einzusetzen oder auch, um Innovationen zu fördern, muss der Vorwurf neoliberalen Agierens nicht lange auf sich warten lassen. Auch Natur- und Umweltkatastrophen werden nicht selten mit neoliberaler Profitgier und Menschenverachtung in Verbindung gebracht. Selbst der demographische Wandel ist für gar nicht so wenige Menschen eine rein neoliberale Erfindung, die nur dazu dient, den Menschen Angst zu machen, die Arbeitsbedingungen einseitig zu Lasten der Arbeitnehmer/innen zu verändern und die Löhne und Gehälter zu senken.
Diese Liste der Schandtaten ließe sich beliebig fortsetzen. Doch hinterfragt man diese simplifizierenden Erklärungsmuster, gerät man schnell ins Grübeln: Was hat das eigentlich mit dem Liberalismus zu tun, und vor allem, was ist daran "neo"? Und was ist eigentlich der Neoliberalismus an sich? Eine Geisteshaltung? Eine Einstellung? Ein politisch-ökonomisches Konzept?
Wie kommt es, dass man den Eindruck gewinnt, dass dieser Neoliberalismus in der Vorstellungswelt seiner Kritiker so wirkungsmächtig ist, dass er seine Vorstellungen und Ziele mehr oder weniger ohne Abstriche in die Realität umsetzen kann? Und dass offenbar viele Menschen glauben, dass dem so sei? Wie eigentlich sieht die Materialisierung des Neoliberalismus' aus - sieht er aus wie eine Konzernzentrale mit (oder ohne) menschlichem Antlitz? Was verbirgt sich konkret hinter diesem anonymen Generalagenten für alles Negative?
Hat der Neoliberalismus auch positive Seiten, die es evtl. zu stärken gilt? Vertritt er nicht auch Interessen, die nicht den globalen Akteuren in Industrie, Handel und Finanzen entsprechen? Leistet er einen Beitrag zur Lösung der Probleme unserer Zeit? Was ist die Alternative zum Neoliberalismus, wenn man zu der Einschätzung gelangt, dass es sich um ein unerwünschtes Phänomen mit mehr negativen als positiven Seiten handelt?
Politisch gesehen spielten liberale Einstellungen in der grün-alternativen Bewegung immer eine bedeutende Rolle. Was folgt daraus für das Verhältnis zum Phänomen des Neoliberalismus? Ergeben sich aus den unterschiedlichen Antworten, die auf diese Frage möglich sind, sich in der Zielsetzung widersprechende, vielleicht sogar sich ausschließende, politische Strategien und Bündnisoptionen? Womöglich mit dem Potential der Spaltung der grünen Partei?
 
Referenten
Matthias Berninger, MdB, Landesvorstandssprecher Bündnis 90/ Die Grünen in Hessen, Kassel
Sven Giegold, Attac Deutschland, Verden

Moderation
Matthias Arning, Frankfurter Rundschau

Termin
Dienstag, 24. Oktober 2006, 18.00 Uhr

Veranstaltungsort
Saalbau Gutleut, Rottweiler Str. 32,
60327 Frankfurt am Main




 

Studienwerk der Heinrich-Böll-Stiftung