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ARCHIV 2006 - Februar 2014
Informations- und Diskussionsveranstaltung
Neuere Strategien der extremen Rechten - Gefahren und Abwehrmöglichkeiten einer rechten Jugendkultur

Thema

Wann immer es in den letzten Jahren zu Erfolgen von rechten Parteien bei Wahlen kam, ging ein Aufschrei durch die Bevölkerung: Kopfschütteln allenthalben, gegenseitiges Beschuldigen der etablierten Parteien und irgendwann war das Thema vergessen, es sei denn, eine Partei sorgte im Stil der NPD im sächsischen Landtag bundesweit für Aufsehen. Begleitet werden solche "Erfolge" der Rechten regelmäßig mit Kommentaren in den Medien, die auf ein eher zyklisches Steigen und Fallen der Zustimmung für rechte Parteien hinweisen. Beispielhaft hierfür ist die Zufriedenheit über das mit 1,6 % marginale Abschneiden der NPD bei den letzten Bundestagswahlen statt einer ehrlichen Debatte über durchschnittlich ca 3,6 % Wählerstimmen in Ostdeutschland.

Es gibt weiterhin immer noch keine breite Debatte um die veränderte Strategie der extremen Rechten, deren Konzentration auf den "vorpolitischen Raum" und damit auf Jugendliche, die sich (noch) nicht in Wahlstatistiken erfassen lassen. Wollen systemoppositionelle Gruppen primär überhaupt noch systemimmanente Parlamentssitze? Geht es ihnen nicht um mehr und wenn ja um was? Besonders gefährdet weil besonders umworben sind Jugendliche.

Aus dieser Situation heraus ergibt sich auch im westlichen Teil der Republik ein Gefühl der Verunsicherung gegenüber dem, was die Rechte (oder rechtsextrem oder rechtsradikal) ist: Codes und Bekleidung von Rechten sind heute weniger auffällig, der "Fascho" an sich trägt nicht mehr zwangsläufig Bomberjacke und Springerstiefel. Entsprechend groß ist die Nachfrage nach Aufklärung, beispielsweise nach der regelmäßig vergriffenen Broschüre "Das Versteckspiel". Dass beispielsweise die Demonstranten des Frühjahres 2004 in Gladenbach, Marburg und Kirtorf rechtsradikal eingestellt waren, ist scheinbar offensichtlich, aber was ist mit all jenen rechten oder scheinbar unpolitischen Jugendlichen, die nicht demonstriert haben. Sind diese "auf der sicheren Seite", weil sie sich nicht öffentlich wahrnehmbar rechts äußern? Und ist nicht gerade die versteckte Verbreitung von rechter Ideologie, etwa durch Musik, gefährlicher, weil sie als weniger politisch wahrgenommen wird und in einem weniger öffentlichen Rahmen stattfindet?

Gerade wenn sich rechtsextreme Inhalte in subtile, emotionale Formen verpacken lassen, wird es für Außenstehende schwierig, einen klaren Durchblick zu behalten. Dies belegt auf der einen Seite zwar wieder den Aufklärungsbedarf, zeigt aber andererseits auch, dass ein rein restriktiver Zugang zu kurz greifen würde. Wenngleich es im Umgang mit rechten Jugendlichen natürlich nicht das Patentrezept gibt, gibt es doch diverse Ansätze, die es zu diskutieren gilt. Gleichzeitig gibt es aber auch für die gesellschaftliche Mitte einige "do"s und "don't"s, die diskutiert werden können, gerade um rechten Ideologien das Trittbrettfahren zu verwehren.
Wenngleich es in Mittelhessen keine Ostdeutschland vergleichbar hegemonialen Strukturen der Rechten im Jugendbereich gibt, gibt es auch hier rechte Jugendcliquen und immer wieder auf kommunaler Ebene eine hohe Unterstützung für rechte Parteien.

Wir wollen an diesem Abend über Strategien informieren, mögliche Gefahren aufzeigen und auch eine regionale Bestandsaufnahme wagen. Welche Verantwortung hat "die Gesellschaft", welche Gegenstrategien könnte es geben? Unsere GesprächspartnerInnen haben allesamt nicht nur einen theoretischen Bezug zur Sache, sondern selbst praktische Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Jugendlichen, sei es im schulischen, sei es im außerschulischen Bereich.
 
Teilnehmende

Holger Oppenhäuser
Promovent an der Uni Frankfurt/M., Mitarbeit in der Jugendbegegnungsstätte Anne Frank, Frankfurt/M.

Reiner Becker
Promovent an der Uni Marburg, Vorsitzender des Projekts JAKOb e. V. im Lahn-Dill-Kreis

Christopher Vogel
Mobiles Beratungsteam gegen Rassismus und Rechtsextremismus - für demokratische Kultur in Hessen, Kassel

Moderation:
Sabine Diederich, Jugendbegegnungsstätte Anne Frank, Frankfurt / M.

Download
Unter dem Titel: "Die Legende vom Patentrezept im Umgang mit rechtsorientierten Jugendlichen. Pädagogische, institutionelle und persönliche Handlungsstrategien" fand 2005 im Lahn-Dill-Kreis eine Fachtagung statt. Diese wurde von der Abteilung Kinder- und Jugendhilfe des Lahn-Dill-Kreises sowie vom „Informations- und Kompetenzzentrum Ausstiegshilfen Rechtsextremismus“ – IKARus veranstaltet. Die Publikation zu dieser Tagung wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt und steht hier zum Download (geziptes PDF, 902 KB) bereit.
 
Termin
Mittwoch, 25. Januar 2006, 19.00 Uhr

Veranstaltungsort
Haus der Jugend; Seminarraum
Frankfurter Straße 21; Marburg
(Bus-Linie C, Haltestelle Friedrichstraße)



 

Studienwerk der Heinrich-Böll-Stiftung